In meiner Praxis als Coach beobachte ich oft eine verbreitete Herausforderung unter Führungskräften: das unermüdliche Bestreben, es jedem recht zu machen. Dieses Verhalten, während es aus einem Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit entsteht, kann zu Erschöpfung und Entscheidungslähmung führen. Warum dieser Ansatz problematisch ist und wie man effektiver führen kann, ohne sich selbst zu verlieren, möchte ich Ihnen hier näherbringen.
Das Dilemma der Anerkennung
Viele Menschen streben danach, Konflikte zu vermeiden und von ihrem Umfeld akzeptiert zu werden. Dies kann jedoch zu einer übermäßigen Abhängigkeit von der Zustimmung anderer führen. Führungskräfte, die versuchen, jederzeit Zustimmung zu erhalten, riskieren, ihre Authentizität und Entscheidungsfähigkeit zu untergraben. Es ist entscheidend, dass Entscheidungen wohlüberlegt und basierend auf den besten verfügbaren Informationen getroffen werden, statt primär darauf abzuzielen, niemanden vor den Kopf zu stoßen.
Die Tücke der Erwartungen
Das Streben, es allen recht zu machen, ist oft von falschen Annahmen über die Erwartungen anderer geprägt. Diese Vermutungen sind selten durch klare Beweise gestützt und können zu Fehlentscheidungen führen. Eine effektive Führungskraft muss in der Lage sein, reale von eingebildeten Erwartungen zu unterscheiden und sich nicht von unbegründeten Befürchtungen leiten zu lassen.
Die Wichtigkeit des eigenen Standpunktes
Ein weiteres häufiges Problem ist der Verlust des eigenen Standpunktes. Wenn man ständig versucht, es anderen recht zu machen, vernachlässigt man leicht die eigenen Werte und Ziele. In meinen Coaching-Sitzungen arbeite ich oft mit Klienten, die ihre eigenen Wünsche nicht klar artikulieren können, weil sie so sehr darauf fokussiert sind, anderen zu gefallen. Es ist essenziell, dass Führungskräfte ihre persönlichen und beruflichen Ziele klar definieren und verfolgen.
Eine lehrreiche Esel-Parabel
Eine hilfreiche Geschichte, die ich oft verwende, um dieses Konzept zu veranschaulichen, ist die des alten Mannes und seines Enkels, die versuchen, mit ihrem Esel allen Dorfbewohnern gerecht zu werden. Sie erfahren dabei schnell die Unmöglichkeit ihres Unterfangens und die Konsequenzen der ständigen Anpassung ihrer Handlungen an die Meinungen anderer.
Fazit: Authentizität über Konformität
Die Moral der Geschichte ist klar: Es ist nicht nur schwierig, sondern oft unmöglich, es jedem recht zu machen. Führung erfordert die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise nicht immer auf allgemeine Zustimmung stoßen. Echte Führungskräfte zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, authentisch zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen, selbst wenn das bedeutet, dass sie mitunter anecken.
Führungskräfte müssen lernen, ihre eigene Meinung zu vertreten und sich von der Last zu befreien, immer und überall Zustimmung finden zu müssen. Indem sie ihre Authentizität bewahren und ihre Entscheidungen klar und selbstbewusst treffen, können sie nicht nur effektiver führen, sondern auch ein Umfeld schaffen, das Innovation und ehrliches Feedback fördert.
Von Vittoria Cioffi, Dipl.Coach SCA und Eidg. Betriebliche Mentorin FA
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